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Reanimations-App — Nur 15% der Deutschen trauen sich lebens­rettende Maßnahmen zu: Ein smarter Sprach­assistent unter­stützt Ersthelfer Schritt für Schritt bei der Reanimation

Reanimation in Zahlen

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Jedes Jahr müssen 40.000 Menschen in Deutschland reanimiert werden, aber nur 15 Prozent der Ersthelfer trauen sich im Ernstfall eine Reanimation zu. Die Überlebenschance sinkt jedoch mit jeder Minute ohne Wiederbelebung um 5,5 Prozent. Pro Jahr hätten bis zu 10.000 Menschen eine Chance zu überleben, wenn 12 Prozent mehr Ersthelfer eine Herzmassage durchführen würden, bevor der Rettungsdienst eintrifft.

Was sind die Ursachen dafür? Warum reanimieren nur so wenige Ersthelfer? Und wie lässt sich das verändern? Gemeinsam mit einem Team aus Medizin­studierenden und Rettungssanitätern habe ich mich auf die Suche nach Antworten gemacht.

Tatsächlich wissen viele Menschen nicht, wie eine Reanimation abläuft. Ersthelfer befinden sich außerdem in einer akuten Stres­s-Situation. Sie fühlen sich hilflos und haben Angst, etwas falsch zu machen. Überforderung und Unwissen führen dazu, dass Menschen erstarren und tatenlos darauf warten, dass endlich der Krankenwagen eintrifft – obwohl sie helfen wollen.

Voice User Interfaces

Wer bei einem Notfall den Rettungsdienst ruft, hält sein Smartphone bereits in der Hand – und genau da setzen wir an. ReaniMate ist ein Sprachassistent, der Ersthelfer Schritt für Schritt bei der Reanimation unterstützt, ihnen Sicherheit vermittelt und sie bestärkt.

Voice User Interfaces bieten einen unschätzbaren Vorteil: Beide Hände bleiben frei und wir müssen nicht auf das Smartphone-Display sehen. Auch psychologische Faktoren spielen eine Rolle, denn die direkte Ansprache mildert den Bystander-Effekt und holt Ersthelfer durch konkreten Anweisungen aus ihrer Schockstarre.

Lernen und gemeinsam helfen

ReaniMate verfügt zusätzlich über einen Trainingsmodus, um die Reanimation zu üben und die eigenen Fähigkeiten zu verbessern. Auch wenn die meisten Menschen nur selten in eine Notfallsituation kommen, kann Übung und routiniertes Eingreifen Menschenleben retten.

Die App unterstützt nicht nur Ersthelfer, sondern auch die Arbeit des Rettungsdiensts. Die Übermittlung des Gerätestandorts verbessert die Auf­findbarkeit des Verletzten und die automatische Protokollierung der Wiederbelebung erleichtert die anschließende medizinische Versorgung z.B. durch genau Angaben zur Dauer der Reanimation.

Reanimieren mit dem Notfallmodus

Die Idee Ersthelfer via Sprache bei der Reanimation anzuleiten, ist kein komplettes Neuland. Bereits seit 2010 testen einige Rettungsleitstellen in Deutschland die Telefon­reani­mation (t‑cpr) bei Notrufen – mit großem Erfolg. Die Mitarbeitenden in der Notrufzentrale folgen dabei einem medizinischen Protokoll, das speziell für den Einsatz am Telefon entwickelt wurde. Diese Leitlinien, die wie ein Algorithmus aufgebaut sind, bilden die Grundlage für ReaniMate. Der Sprachassistent ist dadurch in der Lage auf unterschiedliche Notfall-Szenarien zu reagieren.

Der Notfallmodus startet einen schrittweisen Dialog. Die App stellt eine Frage oder gibt eine kurze, präzise Anweisung. ReaniMate reagiert dann auf die Antwort des Ersthelfers und geht zum passenden nächsten Schritt über. Erhält der Sprachassistent kein Feedback wiederholt er den Schritt erneut, um sicherzustellen, dass alles verstanden wurde.

Neben Sprache kommuniziert ReaniMate auf zwei weiteren Ebenen. Alle Fragen werden als Text angezeigt und die notwendigen Handgriffe mit Animationen demonstriert. Da manchen Menschen unter Stress die Stimme versagt, lassen sich alle Schritte auch manuell ohne Sprachkommandos durchführen.

ReaniMate kann nicht nur auf dem Smartphone verwendet werden. Mit Smart Watches wie der Apple Watch können Ersthelfer mit besonders präzisen Anweisungen unterstützt werden. Dank der verbauten Sensoren ist so beispielsweise messbar, ob die notwendige Drucktiefe während der Reanimation erreicht wird.

Üben mit dem Trainingsmodus

Routiniertes Eingreifen und regelmäßiges Üben können im Notfall Menschenleben retten. Auch wenn der Ernstfall vielleicht nie eintritt, ist es gut zu wissen, was zu tun ist. Routine schützt unser Gehirn in Stress-Situationen vor Überforderung und hilft uns gelernte Handlungen schneller abzurufen.

Mit dem Trainingsmodus von ReaniMate lassen sich unterschiedliche Szenarien üben und die eigenen Reanimationsfähigkeiten verbessern. Alle Trainings werden als Statistik erfasst, um die eigenen Fortschritte überprüfen zu können.

Siri, spiele Zukunftsmusik

Die Reanimation via Sprachassistent ist momentan noch Zukunftsmusik und wird es wahrscheinlich auch noch lange bleiben. Bevor ein derartiges Projekt Realität werden kann, müssen nicht nur technologische Hürden überwunden werden. Es bleiben außerdem rechtliche, ethische und organisatorische Fragen offen, die nur in einem interdisziplinären Team aus Medizinern, Juristen und uns als Gesellschaft beantwortet werden können. ReaniMate ist deshalb nur eine Gedanken­experiment: Was wäre, wenn Siri uns mit mehr helfen könnte als der Wettervorhersage und unserem Terminkalender?